Die Sinnhaftigkeit eines Jobs entspringt dem Wunsch, einen Beitrag leisten zu wollen
Autor: Reinhard F. Leiter, Executive Coach M?nchen
Immer mehr Menschen wollen in einem Beruf arbeiten, den sie als sinnvoll empfinden. Daf?r w?rden viele auch auf Gehalt verzichten. Dieser Trend spiegelt sich auch im Erfolg des Jobportals Goodjobs wider. In den letzten Jahren hat sich die Zahl derjenigen, die das Jobportal besuchen, kontinuierlich verdoppelt. Denn auf Goodjobs sind nur Jobs gelistet, bei denen es in erster Linie nicht um Geld geht, sondern darum, etwas Sinnvolles zu tun. Dabei zieht sich der Wunsch nach einer sinnvollen T?tigkeit durch alle Altersgruppen. Mangelnde Wertsch?tzung der eigenen Arbeit im Unternehmen und/oder das Erreichen eines gewissen Lebensstandards ist oftmals der Trigger f?r die Suche nach einem sinnvollen Job.
Jeder ist seines „sinnvollen Lebens“ Schmied
Aber was ist ein sinnvoller Job? Viele Jahrhunderte lang stellte sich den meisten Menschen die Frage nach einem sinnvollen Beruf gar nicht, weil sie zu sehr damit besch?ftigt waren, um ihr ?berleben zu k?mpfen. Und wenn nicht, dann hatte die Kirche eine klare Antwort auf jede Sinnfrage parat: Der Sinn der menschlichen Existenz sei ein gottgef?lliges Dasein. Heute, im Zeitalter des Individualismus, hat es jeder selbst in der Hand, seinem Leben, seiner Arbeit eine Bedeutung, einen Sinn zu verleihen. Der Aufkl?rung sei Dank. Dabei darf man den Sinn des Lebens aber nicht mit Gl?ck verwechseln. Das beste Beispiel hierf?r sind Kinder: Sie machen ihre Eltern nicht immer gl?cklich, manchmal dauert diese Phase sogar jahrelang an. Aber letztendlich sind sie doch der Grund f?r ein erf?llt empfundenes, sinnvolles Leben.
F?r sich und andere einen Mehrwert schaffen
Nach Auffassung von Karlheinz Ruckriegel, Gl?cksforscher an der TH N?rnberg, sind drei Punkte entscheidend f?r einen sinnvollen Job: Die Unternehmensziele sollten mit dem ?bereinstimmen, was der Einzelne bewirken oder zur Gesellschaft beitragen will. Als Arbeitnehmer macht man etwas, was man auch kann, wo man sich pers?nlich entfalten kann. Und schlie?lich m?ssen die zwischenmenschlichen Beziehungen stimmen. F?r Alan Hurst steht eine „Purpose Economy“ oder Sinn?konomie in der Pflicht, Menschen ein erf?lltes Arbeitsleben zu erm?glichen, indem sie f?r sich und andere einen Mehrwert schaffen, der nicht nur ?konomischer Natur ist.
Selbstverantwortliches Handeln als Sinnquelle
Dem eigenen Tun, dem eigenen Leben einen Sinn zu verleihen, h?ngt ganz wesentlich von den Beziehungen zu anderen Menschen ab: sei es die Bindung zu einem Partner, zu Arbeitskollegen oder auch zu Freunden. Dabei geht es darum, die Beziehungen zu anderen Menschen wertzusch?tzen und zu pflegen. Deshalb macht auch ehrenamtliches Engagement Sinn. Die Zeit und die M?he, die viele Deutsche f?r ein Ehrenamt aufwenden, sind f?r sie keineswegs ein Opfer. Man hilft zwar vor allem anderen, tut aber indirekt auch f?r sich selbst etwas Gutes. Der Nutzen ehrenamtlicher T?tigkeit liegt f?r viele Menschen auch darin, dass es ihnen schlicht und ergreifend Spa? macht, sich zu engagieren. Und warum sollte man nicht nebenbei auch eigenen Nutzen daraus ziehen d?rfen, dass man seine Zeit f?r andere opfert? Ein Sinn in ihrem Leben und Arbeiten finden jene Menschen, die ihr Dasein selbstverantwortlich gestalten, die sich f?r eine bessere Welt einsetzen, ihrem Glauben folgen, nach pers?nlichen Gl?ckserlebnissen streben oder im Beruf Erf?llung finden. Extrovertierte, neugierige Menschen, die Gemeinschaft anderer suchen und sich vernetzen, sind dabei wesentlich weniger anf?llig f?r Sinnkrisen als andere.
Selbstverwirklichung speist sich aus vielen, unterschiedlichen Quellen
Die Selbstverwirklichung gilt heute f?r viele Menschen als die Sinnquelle schlechthin. Entwicklung, Herausforderung, Freiheit, Wissen, Kreativit?t, Individualismus, Leistung, Macht sind Begriffe, die f?r die bei jedem Einzelnen unterschiedlich ausgepr?gten Lebensziele stehen. Sich selbst zu verwirklichen bedeutet, nicht stehen zu bleiben, durchaus auch Abenteuer zu suchen und Risiken in Kauf zu nehmen, sein Handeln von den eigenen Interessen und St?rken leiten zu lassen, die Welt verstehen zu wollen, sein eigenes Leben sinnvoll zu gestalten. Selbstverwirklichung kann aber auch bedeuten, besser sein zu wollen als andere besonders im Beruf oder sich eine Position der St?rke anderen gegen?ber zu erarbeiten. W?hrend vielen Menschen ihr Beruf allein als Broterwerb dient, gelingt anderen das Kunstst?ck, in ihrem Job viel mehr als das zu sehen und selbst stereotypen T?tigkeiten einen Sinn, eine Bedeutung abzugewinnen. Was am meisten ?berrascht dabei, ist die Tatsache, dass Glanz, Prestige oder hohes Einkommen f?r diese Menschen in der Regel keine entscheidende Rolle spielen. F?r sie sind Faktoren wie Gesundheit, Familienleben und finanzielle Sicherheit weitaus wichtiger.
Die Art des Jobs ist kein Garant f?r Zufriedenheit
Ob eine Arbeit als sinnvoll empfunden wird, l?sst sich nicht zwangsl?ufig von der Art der Arbeit ableiten. Das belegt auch eine Studie, f?r die Tausende Deutsche befragt wurden. Dabei stellte sich n?mlich heraus, dass sich die Zufriedenheit mit dem Job von Friseurinnen oder Verk?ufern kaum von denen von Lehrern unterschied – und die von Metallarbeitern sogar h?her war als die von ?rzten. Was ist das Geheimnis der Hochzufriedenen? Die Antwort der Forscher: ganz gleich aus welcher Berufsgruppe sie kommen, ihnen gl?ckt – unabh?ngig von Status und Ausbildung – das Kunstst?ck, in ihrer Arbeit mehr zu sehen als nur den t?glichen Broterwerb.
Das kleine R?dchen als Ideal f?r ein erf?lltes Berufsleben
Sie kombinieren Engagement, Freude an der Arbeit, mit Exzellenz – der kompetenten Ausf?hrung ihrer Arbeit – und Ethik – der sozialen Verantwortung f?r ihre Arbeit – und erreichen damit das vom US – Psychologen Howard Gardner propagierte Ideal f?r ein erf?lltes Arbeitsleben: „Sie sind ein kleines R?dchen, eines von vielen. Doch sie wissen, etwas w?rde fehlen, wenn sie nicht da w?ren.“ Auch Theo Wehner, Professor an der ETH Z?rich, warnt vor vorschnellen Urteilen ?ber vermeintlich „?de“ Jobs. Es gibt M?llfahrer, die sich durchaus bewusst sind, welchen Dienst sie f?r die Gesellschaft leisten. Auf der anderen Seite gibt es auch ?rzte, die ihre Patienten hassen. Erstaunlicherweise seien neben Managern ausgerechnet Menschen in Berufen mit vermeintlich hohem Sinnpotential – wie Sozialarbeiter, ?rzte, Lehrer, Polizisten – h?ufiger als andere von gef?hlter Sinnlosigkeit bedroht. Einen Grund daf?r sieht Prof. Wehner darin, dass Aufopferung schnell zum Burnout f?hrt.
Zerrieben zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Wirken die Gegenkr?fte zu sehr auf den Einzelnen ein, k?nnen Engagement, Exzellenz und Ethik schon mal auf der Strecke bleiben. Lehrer f?hlen sich zwischen den Problemen ihrer Sch?ler, den Anspr?chen der Eltern und st?ndig neuen Reformideen der Beh?rden zerrieben. Mediziner zerbrechen an der Abw?gung zwischen Patientenwohl und „Erl?soptimierung“ der Klinikleitung. Altenpfleger, Erzieher oder Polizisten reiben sich in ihren Jobs f?r einen Hungerlohn auf, der kaum f?r den Lebensunterhalt reicht. Unter solchen Umst?nden k?nnen auch T?tigkeiten, deren gesellschaftliche Bedeutung unsch?tzbar ist, individuell als sinnentleert empfunden werden.
Der Sinn des Lebens h?ngt von mehr als nur der T?tigkeit ab
Aber wer warum welchen Sinn in seiner Arbeit sieht, h?ngt nicht nur von der T?tigkeit und den Karriere – Ambitionen ab, sondern auch von Zuf?llen und Schicksalsschl?gen: ob ein neuer Chef kommt, der motivieren kann; ob ein intriganter Kollege sich fr?hpensionieren l?sst; ob die eigenen Priorit?ten sich verschieben, weil etwa der Sohn in der Schule immer schlechter oder die Mutter dement wird. Was die Suche nach dem Sinn im Leben so kompliziert macht, sind die vielen Variablen, die es im Leben gibt.
Leadership Counts
F?hrungskr?ften kommt in diesem Zusammenhang eine ganz besondere Rolle zu. Denn sie haben es in der Hand, ihren Mitarbeitern so viele Freir?ume mit den notwendigen Ressourcen f?r ihre Aufgaben wie m?glich zu verschaffen. Sie m?ssen ihre Mitarbeiter sp?ren lassen, dass sie nicht nur ein R?dchen im gro?en Unternehmensgetriebe sind, sondern eine Arbeit tun, die f?r andere einen hohen Wert hat. Enger Kontakt zu Kunden oder Klienten kann beispielsweise dabei der Schl?ssel zur Sinnstiftung im Leben eines Arbeitnehmers sein. Gute Arbeit in einem guten Leben – inklusive Sinn – ist eine tragende S?ule f?r Zufriedenheit und Gl?ck.
Keywords:Selbstverwirklichung,Sinnquelle,Lebens

Comments
Kommentare sind für diesen Beitrag deaktiviert.