Auf die Zusammenhänge kommt es an

Mai 5, 2021 - Kommentar

Grundprinzipien systemischer F?hrungs- und Organisationsentwicklung Autor: Reinhard F. Leiter, Executive Coach M?nchen Jeder Mensch ist Teil eines Systems, das mitunter komplex und dynamisch ist. F?hrungskr?fte sollten deshalb darin ge?bt sein, ganzheitlich zu denken und die komplexen Verflechtungen ihrer Organisation im Blick zu haben. Das setzt einen systemischen Ansatz voraus, aber ist nicht zu verwechseln mit

Grundprinzipien systemischer F?hrungs- und Organisationsentwicklung

Autor: Reinhard F. Leiter, Executive Coach M?nchen

Jeder Mensch ist Teil eines Systems, das mitunter komplex und dynamisch ist. F?hrungskr?fte sollten deshalb darin ge?bt sein, ganzheitlich zu denken und die komplexen Verflechtungen ihrer Organisation im Blick zu haben. Das setzt einen systemischen Ansatz voraus, aber ist nicht zu verwechseln mit einem systematischen Ansatz, der durch logische oder zeitliche Abfolgen bestimmt ist. Die Vorteile des systemischen Ansatzes liegen vor allem in der wertsch?tzenden Betrachtung des Mitarbeiters als Experten f?r sich und seine Probleme, der l?sungs- und ressourcenorientierten Vorgehensweise und der produktiven Rollenaufteilung bzw. Arbeitsweise zwischen Mitarbeiter und F?hrungskraft. Dabei ist der Blick nicht nur auf das Individuum gerichtet, sondern auf die Zusammenh?nge, die sich daraus ergeben, dass sich Menschen in Systemen bewegen.

Kernthemen lebender Systeme
Ein lebendes System ist eine Gruppe von Menschen, die in einem von Ordnungsregeln gepr?gten Muster von Beziehungen zueinanderstehen. Der entscheidende Punkt ist, dass Ordnungsregeln die Beziehungsmuster unabh?ngig von dem Wollen des Individuums bestimmen. Lebende Systeme funktionieren nicht, wie wir wollen, sondern wir funktionieren, wie sie wollen.

In diesem Zusammenhang gibt es drei Kernthemen, die es zu betrachten gilt:

-Die Rangordnung der Gruppenmitglieder untereinander, die sich zum einen in den hierarchischen F?hrungsebenen, zum anderen in den Beziehungen von Gleichgestellten widerspiegelt.
-Die Zugeh?rigkeit, also die Regeln, die bestimmen, ob eine Person zu einem System geh?rt oder nicht.
-Der Ausgleich von Geben und Nehmen.

Rangordnung durch F?hrung
Systeme haben ein immanentes Bed?rfnis nach F?hrung. In einer Familie ?bernehmen die Eltern mit der Geburt ihres ersten Kindes die F?hrung. Mit zunehmender Selbstst?ndigkeit der Kinder schwindet die F?hrungsrolle. Was bleibt, sind Respekt und Dankbarkeit. In Wirtschaftsbetrieben bestimmen die Eigent?mer oder die von ihnen eingesetzten Stellvertreter dar?ber, wer f?hrt. Alle existierenden Systeme in der Berufswelt sind durch Hierarchien gekennzeichnet. Diese legen fest, wer f?hrt und wer gef?hrt wird. Wie Eltern in der Familie tragen F?hrungskr?fte Verantwortung f?r die Funktionsf?higkeit des Systems und haben eine F?hrsorgepflicht ihren Mitarbeitern gegen?ber. Und so wie es gute und schlechte Eltern gibt, gibt es auch gute und schlechte Vorgesetzte.

F?hrungsvakuen werden von informellen F?hrern ?bernommen
F?hrung ist nicht nur ein Privileg, sondern auch eine Verpflichtung. Die Verweigerung von F?hrung, die wir heute aus lauter Angst vor autorit?rer F?hrung vielfach erleben, f?hrt dazu, dass die F?hrungsfunktion von informellen F?hrern ?bernommen wird, die damit meist ?berfordert sind. Das System (z.B. die Abteilung) kann seine Leistungsf?higkeit nicht entfalten, weil Mitarbeiter sowohl mit ihren origin?ren Aufgaben als auch mit dem F?llen des F?hrungsvakuums besch?ftigt sind. Die scheinbare Freiheit, die die Abwesenheit von F?hrung vorgaukelt, schafft nicht etwa mehr Motivation und Eigenverantwortung, sondern sie demotiviert und ?berfordert die Mitarbeiter. ?bernimmt ein Gleichgestellter die F?hrungsaufgaben in Ermangelung einer formellen F?hrungskraft, wird das oft als Anma?ung empfunden. Es l?st oft offen ausgetragene Konflikte unter den Gleichgestellten aus, die passiven Widerstand oder Boykott nach sich ziehen. Bei einer Fusion beispielsweise sind nicht alle Partner gleich. Die „Morgengabe“, die sie in die neue Gesellschaft einbringen, sei es Kapital oder Kunden Know-how, verleiht ihnen St?rke, aus der sie ihren F?hrungsanspruch ableiten. Zu schnell wird dabei vergessen, dass der gr??ere Partner eine F?hrsorgepflicht f?r den kleineren Partner bzw. dessen Mitarbeiter und Kunden hat.

Rangordnung unter Gleichgestellten
In jeder Abteilung herrscht eine Rangordnung unter den Mitarbeitern, die sich allerdings nicht wie bei Geschwistern am Lebensalter, sondern am Dienstalter orientiert. Wird bei der Ernennung eines Nachfolgers der Stellvertreter oder der Dienst?lteste ?bergangen, wird das als ungerecht empfunden. Nicht umsonst sind Jubil?umsfeiern, wertvolle Geschenke und Sonderzahlungen sichtbare Zeichen der Wertsch?tzung langj?hriger Mitarbeiter und dokumentieren die Bedeutung von Rangordnungen. Der neue Nachfolger hat sofort ein Akzeptanzproblem. Anerkennung kann man sich zwar bis zu einem gewissen Grad erarbeiten, aber in erster Linie muss man da hineinwachsen. Rangordnungen sind aber nicht nur auf Mitarbeiter beschr?nkt. Auch unter Ressorts gibt es eine Rangordnung, die je nach Unternehmenssituation wechselt. Bei knapper Liquidit?t ist das Finanz-/Controlling-Ressort ganz oben. In Zeiten knapper Arbeitskr?fte ist es die HR-Abteilung und in Zeiten hart umk?mpfter M?rkte der Vertrieb.

Kompetenz als Rangfaktor
Neben dem Dienstalter und der Bedeutung f?r die aktuelle Situation des Unternehmens gibt es aber noch ein drittes Rangordnungskriterium: die Kompetenzordnung. An der Spitze der Rangordnung steht derjenige, der die Kompetenz hat. In diesem Fall arbeitet auch ein Vorgesetzter seinem Mitarbeiter zu, wenn dieser unbestritten die notwendige Kompetenz hat. Ohne dieses Ordnungskriterium k?nnen wirtschaftliche Organisationen nicht ?berleben. Situationen, in denen ein neuer Chef von au?en kommt, der gemessen an seiner hierarchischen Stellung an erster Stelle der Rangordnung, gemessen an der Ursprungsordnung aber am Ende der Rangordnung steht, gelten als besonders konflikttr?chtig. Zu viel Eigensinn, um sich und anderen zu beweisen, dass er diese Position zu Recht einnimmt, f?hrt bei vielen Mitarbeitern zur ?u?eren oder inneren K?ndigung. Zu sehr schmerzt die Verletzung der Rangordnung. Nur die ?bernahme von Verantwortung, die W?rdigung der Erfahrung und des Fachwissens der Mitarbeiter durch Wort und Tat und die Einbeziehung der Mitarbeiter in seine Entscheidungen kann diesen Konflikt l?sen.

Ungerecht empfundene K?ndigungen torpedieren das Zugeh?rigkeitsgef?hl
K?ndigungswellen sind nicht nur f?r die direkt Betroffenen ein harter Schlag, sondern wirken sich auch nachteilig auf die Motivation, die Arbeitsf?higkeit und das Zugeh?rigkeitsgef?hl der Verbliebenen aus. Dabei macht der Ton bzw. der Stil die Musik, wie man so sch?n sagt. Werden K?ndigungen als ungerecht empfunden, weil sie herzlos und ohne W?rdigung der Ausscheidenden ausgesprochen werden, wirken die Verbliebenen h?ufig wie bet?ubt. Sind K?ndigungen aus betriebsbedingten Gr?nden unvermeidlich, dann m?ssen solche Prozesse besonders feinf?hlig durchgef?hrt werden.

?bernahmen sind wie der Verlust der Heimat
Auch bei Mergers und Acquisitions spielt das Thema Zugeh?rigkeit eine gro?e Rolle. Bei der ?bernahme eines Unternehmens wird dessen Identit?t oftmals ausgel?scht. F?r die Mitarbeiter ist das vielfach mit dem Verlust der Heimat gleichzusetzen – selbst wenn die ?bernahme alternativlos war. In der neuen Firma m?ssen sie sich wieder hintenanstellen, F?hrungskr?fte werden in der Regel in der Position zur?ckgestuft und Mitarbeiter „m?ssen untergebracht werden“. Ihre Leistungen f?r ihr fr?heres Unternehmen werden meist mit keinem Wort erw?hnt.

Mit dem Outsourcing geht die Zugeh?rigkeit verloren
Last but not least bedeutet auch das Outsourcen den Verlust der Zugeh?rigkeit zum Herkunftssystem, mit dem in der Regel die Bindung zum Ursprungssystem verloren geht. Nicht selten funktioniert die Zusammenarbeit der ausgegliederten Kernbereiche, die angeblich f?r das ?berleben des Systems unverzichtbar sind, z.B. IT oder Einkauf, mit dem Unternehmen nach der Ausgliederung nicht. Denn entweder wird die Trennung wirklich vollzogen, dann ist das Herkunftssystem ein Kunde unter vielen, oder aber die Trennung wird nicht wirklich vollzogen, dann l?sst die Leistung des ausgegliederten Systems rapide nach, da die Mitarbeiter die Kr?te schlucken m?ssen: “ Verhalte Dich wie ein selbstst?ndiges Unternehmen aber mach, was wir Dir – in unserem, nicht in deinem Interesse – sagen“. Outsourcen von Kernbereichen erweisen sich h?ufig als Fehlschl?ge.

Der Ausgleich von Geben und Nehmen
In der Berufswelt ist der Ausgleich von Geben und Nehmen zun?chst einmal klar: „der Arbeitnehmer gibt seine Arbeitskraft und erh?lt daf?r den Lohn.“ F?r die Angemessenheit des Lohns gibt es zwei Bezugssysteme: die Kollegen und den Arbeitsmarkt. Wer sich im Vergleich zum Arbeitsmarkt dauerhaft ungerecht entlohnt f?hlt, muss sich einen neuen Job suchen. Sein Blick f?hrt aus dem Unternehmen heraus. Er wird es fr?her oder sp?ter verlassen. Andauerndes Ungleichgewicht zwischen Geben und Nehmen f?hrt zur Destruktion innerhalb der Kollegen, da es als ein Versto? gegen die Regeln der Ursprungsordnung empfunden wird. Werden diese Regeln verletzt, dann kann es passieren, dass sich die Mitarbeiter selbst nehmen, was ihnen vermeintlich zusteht – beispielsweise durch den Diebstahl von B?romaterial oder Werkzeugen oder sogar in einzelnen F?llen durch Betrug.

Titel und Rang als W?rdigung der Zugeh?rigkeit
Die Anerkennung von Leistung durch W?rdigung als ein immaterieller Faktor im Ausgleich von Geben und Nehmen hat nichts mit dem in F?hrungsseminaren antrainierten Lob im Mitarbeitergespr?ch zu tun. Es geht vielmehr darum, gesehen und beachtet zu werden. Titel und Rangstufen sind wichtiger als Gehaltserh?hungen. Sie werden als pers?nliche W?rdigung, sei es der Leistung oder der Zugeh?rigkeit verstanden. Beachtung ist nach Abraham Maslow ein menschliches Grundbed?rfnis. Aber: das am meisten vernachl?ssigte Bed?rfnis ist die Beachtung anderer!

Mit Kollegen habe ich vor einiger Zeit einen Open Space durchgef?hrt. Der Titel lautete: „All You Need Is Love“. Viele der Teilnehmer f?hlten sich besonders dadurch angesprochen, dass das Wort Liebe im Zusammenhang mit Organisationen gestellt wurde. Wenn B. Hellinger von „Ordnungen der Liebe“ spricht, dann gilt das f?r Organisationen ebenso wie f?r Familien. Denn der Reichtum des Lebens kann sich nur entfalten, wenn unsere Lebenssysteme „in Ordnung“ sind.

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